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dressursport-deutschland.de im Gespräch mit Dr. Dennis Peiler, Geschäftsführer des Bereichs Sport am DOKR, über die erstaunlichen Abläufe rund um Corona und die Olympischen Spiele in Tokio… (Interview-Teil 1)


• Es werden Ihre dritten Olympischen Spiele als DOKR-Geschäftsführer, aber noch nie haben Sie sich um Playbooks und Activity-Pläne kümmern müssen…


Dr. Dennis Peiler: Das ist wahr. Vor Corona war Klima das dominierende Thema mit Blick auf Tokio, jetzt redet kaum noch jemand darüber – das ist erstaunlich. Obwohl wir das mit unserem Ärzte- und auch dem Leistungsdiagnostik-Team definitiv noch in unseren Köpfen haben. Seit Corona geht es nur noch darum: Können die Olympischen Spiele stattfinden oder nicht, sie wurden bekanntlich verschoben und wir hangeln uns in der Vorbereitung aktuell von Playbook zu Playbook. Inzwischen gibt es die dritte Playbook-Version. Das bedeutet: Immer, wenn man denkt, man hat alles geplant und organisiert, kommt eine neue Version zum Tragen. Das macht die Vorbereitung kompliziert und anstrengend. Früher standen Vorgaben weit im Vorfeld fest, jetzt fahren wir ‚auf Sicht‘. 

• Was genau ist ein Playbook?
Dr. Dennis Peiler: Das Playbook definiert im Grunde den Verhaltens- und Bewegungsspielraum von jedem, der zu den Olympischen Spielen reisen möchte. Zuschauer aus dem Ausland sind nicht erlaubt, also geht es um die Sportler, die Funktionäre, das ganze Team drumherum und bei uns natürlich auch um die Pfleger und Pferdebesitzer etc. Jeder, der nach Tokio einreisen möchte, braucht so etwas wie eine Sondereinreiseberechtigung, die an viele Auflagen gekoppelt ist. 
• Welche Auflagen sind das?
Dr. Dennis Peiler: Reden wir mal nur von den Personen und gar nicht von den Pferden, die acht Tage vor Abflug in Quarantäne müssen. Alle Personen müssen vor Abflug zwei Apps herunterladen: die eine ist vergleichbar mit unserer Corona-Warn-App, die wir hier in Deutschland kennen. Die andere ist die sogenannte ‚Ocha-App‘. Diese App ist, anders als die Corona-Warn-App, nicht anonymisiert, sondern wird jeder Person direkt zugeordnet. Mit dieser App wird sozusagen ein Tagebuch über die aktuelle Gesundheit geführt, inklusive täglichem Fieber messen. Jeder Tokio-Reisende muss bereits 14 Tage vor Abflug jeden Tag seine Temperatur messen und notieren. Außerdem werden alle Reiter angehalten, in der Quarantänezeit, die die Pferde in Aachen verbringen, auch den eigenen Handlungsspielraum einzuschränken und Kontakte so weit wie möglich zu minimieren. Das bedeutet: Wir haben für alle Reiter während der Quarantäne Hotelzimmer in Aachen besorgt, damit sie vor Ort bleiben und ihre Bewegungen deutlich minimieren können. 

• Stichwort Activity-Plan – die müssen bereits abgegeben worden sein?
Dr. Dennis Peiler: Das stimmt und das ist auch eine Herausforderung. Wir mussten alle, die auf der Longlist für Tokio stehen, konkret jeder Reiter und damit auch sein gesamtes Team wie die Pfleger, Besitzer etc., je einen Activity-Plan abgeben. Davon sind also nicht nur die Team- und der Ersatzreiter betroffen, sondern alle, die mit in die Quarantäne gehen. In der Dressur sind das beispielsweise sechs Reiter. Der Activity-Plan besagt genau, wer wann welchen Flug nehmen, in welchem Hotel er wohnen und wo er sich wann aufhalten wird. Diese Pläne mussten wir beim DOSB einreichen, der wiederum hat sie in das Olympiasystem in Tokio eingespeist. Mal eben einen Flug umbuchen – das geht nicht. Dafür muss erst ein Sonderantrag gestellt und eine Genehmigung von der japanischen Regierung eingefordert werden. Es ist davon auszugehen, dass die Einhaltung des Activity-Planes vor Ort auch überprüft wird.

• Das klingt nach totaler Kontrolle…
Dr. Dennis Peiler: Das fühlt sich so an. Das ganze System ist darauf ausgerichtet, das Infektionsrisiko für die Teilnehmer und Bevölkerung bestmöglich zu begrenzen und das bedeutet auch, den einzelnen Bewegungsspielraum möglichst gut zu kontrollieren. Das alles macht das Leben im Vorfeld und dort vor Ort ziemlich kompliziert, aber es soll dazu beitragen, dass die Spiele überhaupt stattfinden können.

• Die Bewegungen vor Ort in Tokio sind sowieso extrem eingeschränkt…
Dr. Dennis Peiler: Wir dürfen uns die ersten 14 Tage nur im Hotel oder an der Wettkampfstätte aufhalten. Die Teamführung und Teile des Unterstützungspersonals werden vier Wochen vor Ort sein, da muss man abwarten, was für uns in den zweiten 14 Tagen gilt. Wir dürfen auch keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, kein Taxi, nichts. Das ist ein Problem. Da wir mit den Reitern nicht im olympischen Dorf wohnen, sind wir nicht in das olympische Shuttlesystem eingebunden. Wir liegen außerhalb der ‚Bubble‘. Wir könnten zwar von unserem Hotel ins olympische Dorf shutteln, das liegt aber in entgegengesetzter Richtung zum Reitstadion, macht also keinen Sinn. Also mussten wir uns ein eigenes Shuttlesystem einrichten. Dafür mussten wir Japaner suchen, die schon mindestens 14 Tage vor Ort sind, also am günstigsten in Tokio wohnen. Für die Zeit der Spiele mussten wir diese Shuttlefahrer in unserem Hotel einbuchen und für sie eine Olympia-Akkreditierung besorgen.

Im zweiten Teil des Interviews, der am morgigen Dienstag erscheint, geht es um die unfassbare Test-Ära, die allen Tokio-Reisenden bevorsteht, die besondere mentale Herausforderung und die Versorgung hinter den 'Hotelmauern'…

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