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"Viele Dressurpferde werden häufig jeden Tag auf demselben Boden trainiert." Mit Sportwissenschaftler und Pferdesportler Matthias Bojer, Deutsche Sporthochschule Köln, im Gespräch über das Training von Dressurpferden…

• dressursport-deutschland.de: Sie sind Sportwissenschaftler und selbst aktiver Pferdesportler durch und durch – und Sie richten fast so etwas wie einen Appell an die Mehrheit der Pferdesportler?
M. Bojer: Ich denke, es gibt immer noch viele Reiter/Innen, die ihre Pferde nicht als Athleten betrachten. Wir sollten aber unsere Pferde mehr auch aus sportwissenschaftlicher Sicht betrachten, uns mehr Gedanken machen über Fitness und Kondition, Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit. Dabei geht es nicht zuletzt auch um die Stichworte Gesunderhaltung und ‚Haltbarkeit‘. Wir haben im Reitsport diesbezüglich kein Erkenntnis-Problem, aber ein Umsetzungs-Problem.

• dressursport-deutschland.de: Helfen Sie uns mit einem Beispiel…
M. Bojer: Stellen Sie sich ein acht-neunjähriges Pferd vor, das im Lauf der Saison ermüdet und auch in der Wettkampfleistung nachlässt. Der sportwissenschaftliche Gedanke wäre, dass man die Gesamtfitness verbessern muss, damit sich das Pferd auch nach intensiver Belastung schneller erholt. Wenn wir ermüden, steigert das die Verletzungsgefahr, das ist bei Pferden nicht anders. Man sollte sich auch einmal mit der Möglichkeit auseinandersetzen, einen standardisierten Fitnesstest bei seinem Pferd durchzuführen.
Oder, stellen Sie sich ein großes Pferd mit sehr viel Talent für den Dressursport vor, aber es müsste etwas schneller im Hinterbein sein. Die meisten Dressurreiter arbeiten dann beispielsweise mit Verstärkungen. Der Leichtathletik-Trainer würde sofort an Beschleunigungsläufe, an Steigerungsläufe denken. Das würde bedeuten: Man müsste mit diesem Pferd auf einen großen Reitplatz oder eine Rennbahn mal richtig nach vorne galoppieren und wieder einfangen, auch aus dem Stand mit Tempo angaloppieren.

• dressursport-deutschland.de: Ich picke mir noch mal einen Gedanken von Ihnen heraus: Auch das Dressurpferd sollte man auf der Straße traben…?
M. Bojer: Das ist tatsächlich nur ein Puzzlestückchen aus dem Gedanken, dass man jedes Pferd vielseitig trainieren sollte, um es gesund zu erhalten. Viele Dressurpferde werden häufig jeden Tag auf demselben Boden trainiert. Aber um die Muskulatur, die Koordination und das Körpergefühl gleichermaßen zu stärken, sollte man auch mal auf unterschiedlichen Böden in unterschiedlichen Gangarten reiten. Ein Stückchen auf der Straße zu traben, gehört genauso dazu wie Galoppstrecken im leichten Bergauf und Bergab beispielsweise – natürlich nicht auf schlechtem Boden. Aber vielseitiges Training beugt definitiv auch Verletzungen vor, zum Beispiel Fesselträgerschäden.

• dressursport-deutschland.de: Was konkret sollte also jeder Reiter tun?
M. Bojer: Wir beschäftigen uns an der Deutschen Sporthochschule schon sehr lange mit systematischem Training – auch von Pferden. Und es gibt durchaus einige Aspekte aus dem Humanbereich, die wir für die Pferde übernehmen können. Ein wichtiger Aspekt ist der Ausgleichssport, im Pferdesport würden wir dies vielseitige und abwechslungsreiche Ausbildung nennen. Jeder humane Leistungssportler macht Ausgleichssport, Pferde machen dies zu selten. Vor allem viele Dressurpferde werden beispielsweise häufig nur dressurmäßig trainiert. Es bringt nichts, wenn ein Dressurpferd nicht piaffieren kann, aber es muss auch Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit haben.
Ich würde mir wünschen, dass sich Reiter und natürlich Trainer noch viel mehr mit den sportwissenschaftlichen Trainingserkenntnissen befassen, die ja vorliegen, und sie umsetzen. Es käme der langfristigen Gesunderhaltung der Pferde zugute.

 

 

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