Vier Jahre Kader, viermal Euro – was jetzt? Der Sprung von einer in die nächste Altersklasse steht bei allen Nachwuchsreitern irgendwann an. Wie geht Raphael Netz damit um?
Seine Erfolgspferde Lacoste und Elastico wurden verkauft, seine wunderbare ‚Leihgabe‘ Ferdinand BB, mit dem er dreimal Gold bei der U25-EM gewonnen hatte, ging zurück an Jessica von Bredow-Werndl – so hatte Raphael Netz kurz nach der U25-EM 2022 kein Kaderpferd mehr und wurde folglich aus dem Kader gestrichen.
Wie ist der 23-Jährige mit dieser Situation umgegangen? Was sind seine Pläne?
Nach vier Jahren als festen Größe im Kader, dann ist die Zeit vorbei – wie war das für Raphael Netz? „Tatsächlich war es für mich natürlich nicht überraschend. Ich habe mich sogar ein bisschen darüber gefreut, weil es der perfekte Abschluss für meine U25-Zeit war. Ich kann mit zwei lachenden Augen auf meine U25-Zeit zurückblicken.“ Abschluss? Zurückblicken? „Ja, ich bin zwar erst 23 und könnte noch zwei Jahre bei den U25-Jährigen reiten, aber nach so einem Triple und insgesamt sechs EM-U25-Goldmedaillen, dazu zweimal Silber und einmal Bronze – da war mir klar: Hier ist jetzt ein Cut!“ Er wolle sich jetzt neuen Herausforderungen widmen. „Ich strebe natürlich an, wieder in den Kader zu kommen, aber dieses Mal bei den Großen. Dass das ein Riesenschritt ist, ist klar, deshalb habe ich mir gedacht: Dann fange ich lieber früh damit an und nehme mir die Zeit, wirklich jede Stufe auf der Leiter hochzuklettern. Es gibt einfach nichts, was man überspringen kann.“
Kurze Zwischenfrage: „Was wäre, wenn für die U25-Euro in diesem Jahr noch ein Paar gebraucht würde und er mit Camelot angefragt würde? „Nein, aus der Nummer bin ich raus“, kommt die klare Antwort des 23-Jährigen. „Ich weiß, dass es sicher ein paar Jahre dauern wird, bis ich eventuell bei den Großen mitmischen kann, aber das ist mein Lebensziel: Ich möchte deutscher Championatsreiter werden – auf allen Championaten, die es so gibt.“
Auf dem Weg dahin war die Zeit im U25-Kader für ihn sehr wertvoll: „Diese Zeit hat mir Erfahrung auf Championaten und auch mit Hinblick auf Championate gegeben. Und damit meine ich konkret: eine ganze Saison zu planen, ein Pferd mit Hinblick auf den Saisonhöhepunkt zu managen und auch sich selbst. Der Höhepunkt war sicher die Europameisterschaft 2021 in Hagen. Erstens, weil es meine erste Einzelgoldmedaille war. Und zweitens, weil es ein Championat zusammen mit den Senioren war und ich auch mal ‚Senioren-Championatsluft‘ schnuppern konnte, die Abläufe bei den Großen erlebt habe und gemerkt habe: Es ist eigentlich das gleiche in grün.“
Seit drei Monaten sitzt Netz im Sattel des zwölfjährigen Niederländers Great Escape Camelot, der zuvor unter dem Sattel der Schweizerin Estelle Wettstein erfolgreich unterwegs war, zuletzt beim Weltcup-Turnier in Stuttgart. Am vergangenen Wochenende hatten Netz und Camelot ihr Turnierdebut in Stadl Paura, erreichten bei ihrem ersten gemeinsamen Grand Prix glatte 71 Prozent und im Special einen Tag später siegten sie mit 73,170 Prozent. „Es hat schon viel besser geklappt, als ich erwartet hatte“, gestand Netz. „Wir sind in der kurzen Zeit auf dem besten Weg zusammen zu wachsen. Camelot ist ein kleiner Lausbub, er guckt richtig frech aus seiner Box und möchte im Mittelpunkt stehen.“ Mit einem Grinsen fügt er hinzu: „Ich glaube, er passt charakterlich sehr gut zu mir.“ Könnte Camelot schon ein Kandidat für den Aufstieg in den ‚großen Kader‘ sein? „Absolut“, sprach er und grinst: „Attacke!“ Er habe zur Zeit zwei ganz tolle Pferde mit Hinblick auf den Seniorenkader: Camelot sei der eine und der andere Dieudonné. „Dieudonné ist zwar noch kein Grand Prix-Pferd ist, aber er steht kurz davor und er hat in meinen Augen absolut das Potenzial, in den Sport zu wachsen.“
Zielstrebigkeit und Passion – Raphael Netz!
