Foto: Toffi

Geb.: 16. Februar 1986
Wohnort: Aubenhausen
Beruf: Bachelor in Marketing und Kommunikation, Betriebsleiterin Reitanlage Aubenhausen, Profireiterin


„Zickig bin ich nicht, das bestätigt mein Mann (lacht). Ich bin zielstrebig, sehr ehrlich, auch zu mir selbst, und ich liebe Nutella.“

Persönlichkeitsentwicklung – das ist das Steckenpferd von Jessica von Bredow-Werndl. Damit beschäftigt sie sich seit Jahren intensiv, aus menschlicher, aber auch aus reiterlicher Perspektive. Früh gab es in ihrer pferdesportlichen Laufbahn einen Auslöser dafür: 2001 durfte sie zum ersten Mal bei einer Sichtung für die Europameisterschaften mitmachen. Damals war Jessica Juniorin und hatte überraschend auf Nokturn mit einem zweiten Platz beim Preis der Besten auf sich aufmerksam gemacht. „Ich war so nervös bei der EM-Sichtung, dass ich mich zweimal verritten habe. Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken.“ Dieses Erlebnis hat sie geprägt, aber sie hat es für sich genutzt, später ihre Facharbeit zum Thema ‚Mentales Training’ geschrieben und viel gelernt. „Im Nachhinein betrachtet, war das sehr gesund, dass es nicht gleich beim ersten Mal geklappt hat“, ist sie überzeugt. 2010 hatte Jessica noch ein Erlebnis, das sie darin bestätigt hat, sich ganz viel mit ihrer persönlichen Entwicklung zu beschäftigen. „Am 10.10.2010 waren wir auf Sardinien und ich bin beim Schwimmen von der Strömung rausgezogen worden. Ich habe es wirklich nicht mehr allein zurück geschafft. Mein damaliger Freund, heute mein Mann, Max hat mich mit letzter Kraft an Land gebracht. Das war wirklich knapp. Seitdem hat sich bei mir noch mal einiges an meiner Persönlichkeit verändert, viele Dinge haben sich relativiert.“ Und auch, wenn die Pferde und die Reiterei für Jessica Leidenschaft sind… „mein Lebensmittelpunkt sind sie nicht. So weit würde ich nicht gehen.“

Schon mit vier Jahren hat es Jessica zu den Pferden hingezogen. Einmal pro Woche ging sie in den ortsnahen Reitstall zum Voltigieren und erstem spielerischen Umgang mit Pferden. Eine Tante von Jessica züchtete damals in Aubenhausen Lewitzer Ponys. So kam es, dass Jessica mit sechs Jahren ein Lewitzer Fohlen geschenkt bekam: Little Girl. Als Little Girl so weit war, half Reitlehrer Paul Elzenbaumer, die Ponystute einzureiten und gab Jessica Unterricht. 1993 gewannen Jessica und Little Girl in München-Riem die Führzügelklasse . Bis heute fällt sie immer wieder durch ihren korrekten und geschmeidigen Sitz auf. Bei Jessicas erstem Reitwettbewerb sprach Ausbilder Stefan Münch die Familie Werndl an. „Weil ich die einzige war, die ihr Pony in dem Wettbewerb durchs Genick hatte“, lacht Jessica. Schnell war die Zusammenarbeit besiegelt: Die nächsten zwölf Jahre trainierte das Geschwisterpaar Werndl mit Stefan Münch. In ihrer Ponyzeit schaffte es Jessica mit Dacapo, den sie von ihrem Bruder ‚geerbt’ hatte, bis in den Bundeskader, mit 14 stieg sie bereits auf Großpferde um. „Nokturn war unheimlich korrekt. Mit ihm habe ich auch meine erste 10 bekommen, fürs Halten. Der hat nicht mit dem Ohr gewackelt!“ Parallel zu Nokturn hat die Familie Bonito im jungen Alter von vier Jahren gekauft. Auch damals schon galt für die Werndls: jung kaufen und selbst ausbilden. Bis heute ist das ihr Motto geblieben.
2002 – Jessicas erster EM-Einsatz stand auf dem Plan. Eigentlich mit Nokturn, Bonito hatte sie als Reservepferd qualifiziert. Eine Woche vor der EM wurde Nokturn vernagelt und fiel aus. Bonito war erst sieben, sprang aber für Nokturn ein und – das Paar kam mit Doppelgold nach Hause! Im nächsten Jahr startete Jessica schon bei den Jungen Reitern, obwohl sie noch im Juniorenalter war. Duchess war ihr Partner bei der EM 2003, Teamgold und Einzelsilber! „Das war unglaublich und das ging vier Jahre so durch“, scheint sich Jessica auch Jahre später noch zu wundern.
Nach der Jungen Reiter-Zeit kam der Bruch. Die Familie kaufte für Jessica und Benjamin junge Pferde. Das Ziel war ein ehrgeiziges: Mit selbst Ausgebildeten den Weg in den Grand Prix-Sport finden. Von 2007 bis 2011 fuhren die Geschwister regelmäßig zu Isabell Werth zum Training. „Ich hatte Isabell einfach gefragt und sie hat ja gesagt“, freut sich Jessica noch heute
2011 – das war kein einfaches Jahr für Jessica. Ein Jahr des Umbruchs! „Im Sommer 2011 war ich an einem Tiefpunkt angekommen. Ich hatte so viele Jahre gekämpft, um wieder den Anschluss zu kriegen und es hat nicht so geklappt.“ Sie habe zwar immer wieder kleinere Highlights erlebt, wie das Finale bei der WM der jungen Dressurpferde, das Finale des Nürnberger Burg-Pokals und das des Louisdor-Preises, aber … „Ich habe so viel Energie in die Pferde gesteckt, so viel Aufwand betrieben, im Vergleich dazu hat mir der Erfolg gefehlt, der mich hätte beflügeln können. Ich wusste ja von früher, wie es sich anfühlt, oben dabei zu sein. Und dann habe ich Selbstzweifel bekommen, ob ich einfach nicht gut genug bin.“ Hinzu kam, dass Jessica in dieser Zeit zweigleisig arbeitete. Am Vormittag ist sie geritten, ab 14.00 bis etwa 21.00 Uhr war sie als Leiterin des familieneigenen Fitnessstudios im Einsatz und hat nebenher noch eine Ausbildung zum Ernährungstrainer gemacht. „Die Arbeit im Studio hat mir viel Spaß gemacht. Ich gehe gerne mit Leuten um und liebe Sport. Aber ich wollte beides perfekt machen – Reiten und das Studio. Das hat nicht funktioniert.“ Bei einem Event im Fitnessstudio lernte sie die Ski-Langläufer Evi Sachenbacher und Tobias Angerer kennen. Die beiden haben Jessica überzeugt und zu einem Mental-Coach geschickt: Holger Fischer. „Die zwei Tage bei Holger Fischer waren echt ‚krass’“, beschreibt Jessica. „Er hat einfach genau die richtigen Fragen gestellt. Danach war ich ganz sicher, was ich wollte: Reiten! Seitdem bin ich noch intensiver, noch leidenschaftlicher bei der Arbeit mit den Pferden.“
Seit Ende 2011 hat sie nun – unterstützt von ihrer Mutter Micaela – die Leitung des familieneigenen Dressurstalls in Aubenhausen übernommen, reitet sechs bis sieben Pferde pro Tag und kümmert sich am Nachmittag um das Training ihres Bereiterteams. Insgesamt stehen in Aubenhausen etwa 40 Pferde – gut die Hälfte sind eigene, dann sind noch ein paar Kundenpferde zur Ausbildung da und auch ein paar Oldies tummeln sich auf den Aubenhausener Weiden wie zum Beispiel Nokturn. „Wir wollen junge Pferde kaufen und ausbilden.“ Mit ‚wir’ sind Jessica und ihr Bruder Benjamin gemeint. ‚Benni’ war ebenfalls als Junger Reiter schon sehr erfolgreich und gehörte dreimal zum deutschen Goldteam bei Europameisterschaften. „Wir sind zwar ganz unterschiedliche ‚Reittypen’“, erzählt Jessica, „aber beim Pferde aussuchen und ausbilden sind wir uns total einig.“
Seit 2011 wird Jessica außerdem von Jonny Hilberath im Training betreut. Der Bundescoach hat im Gegensatz zu Isabell Werth auch die Möglichkeit, sie auf Turniere zu begleiten. Und seit Anfang 2012 steht Gribaldi-Sohn Unée bei ihr im Stall. „Ich hatte mich ja schon vor Unée für die Reiterei entschieden, aber er hat noch einmal viele Tore geöffnet.“ Und langsam beginnen die Werndl-Geschwister, die Früchte ihrer jahrelangen Ausbildungsarbeit zu ernten. „Jetzt wissen wir, dass wir gut ‚investiert’ haben, aber man weiß das ja jahrelang nicht. Man hofft und hofft, aber man darf auch nicht zu viel in ein Pferd hinein projezieren. Das musste ich erst lernen.“ 2015 hat Jessica von Bredow-Werndl ein großes weiteres Ziel ereicht: Sie gehörte bei der EM in Aachen zum deutschen Team! Lange hatte sie darauf hingearbeitet. Leider wurde es am Ende mit dem Team nur Bronze, aber von Bredow-Werndl und Unée hatten eine klare Visitenkarte für elegantes und harmonisches Reiten abgeliefert!

2018 ging der Stern ‚Dalera‘ auf: Jessica und Dalera flogen mit dem deutschen Team zu den Weltreiterspielen nach Tryon und gewannen Teamgold, ein Jahr später folgte das nächste Highlight. Das Paar gehörte nicht nur erneut zum deutschen Team, dieses Mal bei der EM in Rotterdam, sie gewannen nicht nur erneut Teamgold, sie gewannen auch die Bronzemedaille in der Kür. Die erste Einzelmedaille für Jessica von Bredow-Werndl im Lager der Senioren. Und nach der Pandemie-Pause 2020 stand das ‚Märchenjahr‘ 2021 für das Paar auf dem Programm. „Es fühlt sich an wie ein Märchen, einfach unglaublich!“ Und sie selbst war die Märchenfee: in strahlender Harmonie mit ihrer Stute Dalera hat sie Momente der vollendeten Leichtigkeit und Perfektion ins Viereck gezaubert und die Zuschauer verzaubert: Jessica von Bredow-Werndl, die Doppel-Olympiasiegerin und dreifache Europameisterin von 2021. Fünf Goldmedaillen innerhalb von sieben Wochen – das hat es noch nie gegeben und das konnte es auch nicht: Nie zuvor waren Olympische Spiele und Europameisterschaften innerhalb eines Jahres ausgetragen worden. Und nie zuvor hatte Jessica von Bredow-Werndl Einzelgold bei einem Championat gewonnen – im Sommer 2021 gleich dreimal, zweimal Mannschaftsgold kam obendrauf. Im Alter von 35 Jahren hat Jessica den Olymp erreicht.


An einer ‚anderen Baustelle’ arbeitet sie noch: „Ich gönne mir zu wenig Auszeiten. Ich kann nicht einfach auf der Couch liegen und nichts tun. Ich kann nicht abschalten.“ Seit dem Sommer 2013 hilft ihr jemand dabei: Ihr Ehemann Max von Bredow, selbst im Vielseitigkeitssport aktiv. Silvester 2012 hatte er Jessica in Kenia am Strand einen Antrag gemacht, sechs Monate später haben die beiden in Italien geheiratet. Warum Italien? „Ich wollte das so“, lächelt Jessica. „Sonst hätte ich wahrscheinlich noch am Tag meiner Hochzeit auf dem Pferd gesessen.“ Jessica und Max teilen nicht nur die Begeisterung für Pferde, beide lieben auch den Sport. „Wir spornen uns oft gegenseitig an und gehen zusammen laufen. Überhaupt machen wir gerne Sport zusammen und lernen neue Sportarten.“ In Ihren Flitterwochen haben sie sich beim Kitesurfen angemeldet.

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.